Krankschreibung bei Liebeskummer: Warum das dein gutes Recht ist
Lesezeit: 8 Minuten
Die Wahrheit, die keiner ausspricht
Stell dir vor: Du gehst zu deinem Hausarzt und sagst: "Ich brauche eine Krankschreibung. Mein Partner hat mich verlassen."
Die meisten würden sich schämen. Sich klein fühlen. Denken, das sei keine "richtige" Krankheit.
Ich sage dir was: Das ist der größte Irrtum unserer Leistungsgesellschaft.
"Ein Liebeskummer ist auf hormoneller Ebene genau so ein Ausnahmezustand wie eine Grippe oder ein gebrochenes Bein. Nur weil es emotional ist und innen drin und nicht direkt sichtbar, heißt es nicht, dass es nicht da ist."
Die medizinische Realität: Es gibt sogar eine offizielle Diagnose dafür - ICD-10 F43.2, Anpassungsstörung. 23% aller Menschen erfüllen nach einer Trennung die Kriterien dafür. Du bist nicht allein, und du bildest dir nichts ein.
Was in deinem Körper wirklich abgeht
Lass mich dir mal erklären, was gerade in deinem System passiert - und zwar auf neurobiologischer Ebene:
Die Fakten:
- Dein Cortisol (Stresshormon) steigt um bis zu 250%
- Dein Dopamin fällt um 40-50% (daher das Entzugsgefühl)
- Das Immunsystem wird messbar geschwächt
- Die Entzündungsmarker im Blut steigen
- Der Schlafrhythmus ist gestört
Die Wissenschaft bestätigt: Eine Studie zeigte, dass Cortisol-Level in der ersten Woche nach einer Trennung um durchschnittlich 87% ansteigen. Das ist keine Einbildung. Das ist messbare Biochemie.
Warum du gerade nicht funktionieren kannst (und nicht sollst)
Du sitzt im Büro und starrst seit drei Stunden auf denselben Satz. Dein Chef fragt, ob alles okay ist. Du nickst und lügst.
Warum tun wir das?
Weil uns die Gesellschaft eingetrichtert hat:
- Emotionaler Schmerz zählt nicht
- Nur physische Krankheiten sind "echt"
- Stark sein heißt funktionieren
- Liebeskummer ist was für Teenager
Diese Glaubenssätze sind nicht nur falsch - sie sind gefährlich.
Die Wissenschaft ist auf deiner Seite
Hier kommt die Neurobiologie ins Spiel: Liebeskummer aktiviert dieselben Gehirnareale wie körperlicher Schmerz. Der anteriore cinguläre Cortex - genau der Bereich, der aktiv wird, wenn du dir den Zeh anstößt - feuert auch, wenn dein Herz bricht.
Weitere wissenschaftliche Fakten:
- Dein präfrontaler Cortex (Entscheidungszentrum) arbeitet nur mit 40% Kapazität
- Die HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse) ist völlig überlastet
- Die Herzratenvariabilität sinkt (Zeichen für Stress)
Mit anderen Worten: Du bist krank. Medizinisch, messbar, real.
So gehst du vor (ohne Scham)
Schritt 1: Die richtige Einstellung
Du bittest nicht um einen Gefallen. Du holst dir, was dir zusteht: Eine Auszeit zur Genesung. Das deutsche Arbeitsrecht macht keinen Unterschied zwischen körperlicher und psychischer Erkrankung (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz). Das ist dein Recht.
Schritt 2: Der Arztbesuch
Sei direkt und klar: "Ich durchlebe gerade eine akute Trennungskrise. Meine Arbeitsfähigkeit ist eingeschränkt."
Beschreibe deine körperlichen Symptome konkret:
- Schlafstörungen (Ein- und Durchschlafprobleme)
- Appetitlosigkeit oder Essattacken
- Konzentrationsstörungen
- Körperliche Erschöpfung (Fatigue)
- Magen-Darm-Beschwerden
- Kopfschmerzen/Migräne
- Herzklopfen oder Brustenge
Du bist in guter Gesellschaft: 78% der Hausärzte in Deutschland haben bereits Krankschreibungen für Anpassungsstörungen ausgestellt. Die durchschnittliche Dauer? 10-14 Tage für die Akutphase.
Schritt 3: Falls der Arzt zögert
Nicht alle Ärzte sind gleich aufgeklärt. Wenn deiner zögert:
- Betone die körperlichen Symptome und ihre Auswirkung auf deine Arbeit
- Erwähne die Unfallgefahr durch Konzentrationsmangel
- Verweise auf die ICD-10 Klassifikation (F43.2 - Anpassungsstörung)
- Bitte um Überweisung zum Facharzt für Psychiatrie/Psychosomatik
- Oder: Such dir einen anderen Hausarzt
Was du mit dieser Zeit machst
Diese Krankschreibung ist kein Freifahrtschein für eine Woche Selbstmitleid (obwohl auch das mal sein darf).
Das ist deine strukturierte Recovery-Zeit:
Tag 1-3: Akutphase
- Nervensystem beruhigen (Vagusnerv-Übungen)
- Grundbedürfnisse sichern (Essen, Schlafen, Trinken)
- Eine vertraute Person informieren
Tag 4-5: Stabilisierung
- Tagesstruktur aufbauen
- Leichte Bewegung (Spaziergang)
- Erste Reflexion
Tag 6-7: Neuorientierung
- Unterstützungsnetzwerk aktivieren
- Nächste Schritte planen
- Eventuell therapeutischen Kontakt aufnehmen
Der Unterschied zwischen Schwäche und Selbstfürsorge
Ein Vergleich, der alles sagt:
Wer mit gebrochenem Bein zur Arbeit humpelt, ist kein Held. Der ist unverantwortlich - sich selbst und anderen gegenüber.
Wer mit gebrochenem Herzen versucht zu funktionieren? Genauso.
Selbstfürsorge bedeutet:
- Die Realität deines Zustands anerkennen
- Dir die notwendige Zeit zur Heilung geben
- Professionelle Hilfe als Stärke sehen
- Deinen Körper und seine Signale ernst nehmen
Schwäche wäre:
- Sich selbst zu verleugnen
- Zusammenzubrechen, weil man sich keine Pause gönnt
- Chronische Probleme zu entwickeln durch Nicht-Beachtung
Die häufigsten Einwände (und warum sie nicht stimmen)
"Was denken denn die Kollegen?"
Du bist krankgeschrieben. Die Diagnose geht niemanden etwas an. Das ist gesetzlich geschützt.
"Wegen Liebeskummer krankschreiben lassen?"
Ja. Wegen akuter Anpassungsstörung. Wegen neurobiologischem Ausnahmezustand. Wegen messbarer körperlicher Symptome.
"Das ist doch übertrieben"
Übertrieben ist, mit 40% Gehirnkapazität Auto zu fahren oder Entscheidungen zu treffen. Das ist gefährlich.
"Ich bin doch stark"
Stark ist, wer seine Grenzen kennt und respektiert. Nicht wer sie ignoriert.
Was progressive Ärzte dazu sagen
Ich arbeite mit Ärzten zusammen, die es verstanden haben. Eine Berliner Ärztin sagte mir:
"Wenn jemand mit akutem Liebeskummer zu mir kommt, sehe ich eine Person in einer Krise, die medizinische Betreuung braucht. Die körperlichen Auswirkungen sind real und behandlungsbedürftig."
Ein Psychiater aus meinem Netzwerk:
"Unbehandelte Trennungskrisen sind einer der Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung einer Depression. Frühzeitige Intervention durch Krankschreibung kann das verhindern."
Deine Rechte im deutschen System
Rechtlich gesehen gilt:
- Arbeitsunfähigkeit ist gegeben, wenn du deine Arbeit nicht ohne Gesundheitsgefährdung ausüben kannst
- Die Ursache (physisch oder psychisch) ist dabei unerheblich
- Du musst deinem Arbeitgeber keine Diagnose mitteilen
- Die ärztliche Schweigepflicht schützt deine Privatsphäre
Wichtig: "Ich bin krankgeschrieben" ist eine vollständige Information an deinen Arbeitgeber.
Hi, ich bin Irina!
Du masst da nicht alleine durch"!
Ich zeige Dir, wie Du mit der Trennung abschließt und deine Beziehungsmuster heilst.
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Nach der Krankschreibung: Der Weg zurück
Die Woche ist vorbei. Wie geht's weiter?
Check-in mit dir selbst:
- Wie ist dein aktueller Zustand?
- Was brauchst du für die Rückkehr?
- Welche Unterstützung ist nötig?
Mögliche nächste Schritte:
- Stufenweise Wiedereingliederung (Hamburg-Modell)
- Therapeutische Begleitung organisieren
- Präventionsmaßnahmen etablieren
- Selbstfürsorge-Routinen aufbauen
Diese Woche war kein Urlaub. Das war medizinisch notwendige Krisenintervention.
Mein persönliches Plädoyer
Ich kenne beide Seiten: Das Durchbeißen bis zum Zusammenbruch. Und die heilsame Kraft einer rechtzeitigen Pause.
Der Unterschied? Monate des Leidens versus Wochen der Genesung.
Du bist nicht schwach. Du bist ein Mensch in einer neurobiologischen Ausnahmesituation. Und Menschen in Ausnahmesituationen brauchen Auszeiten.
Dein nächster Schritt
Wenn du beim Lesen merkst: "Ja, ich bin am Limit" - dann weißt du, was zu tun ist.
Morgen früh:
1. Beim Hausarzt anrufen
2. Notfalltermin vereinbaren
3. Ehrlich sein
4. Krankschreibung abholen
5. Heilung beginnen
Ohne Scham. Mit Selbstrespekt. In deinem Tempo.
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Deine Irina
Quellen
Bundesarbeitsgericht (2011). Urteil vom 16.02.2011 - 2 AZR 716/09: Psychische Erkrankungen und Arbeitsunfähigkeit.
Deutsches Ärzteblatt (2023). Anpassungsstörungen in der hausärztlichen Praxis: Diagnostik und Behandlung.
Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) § 3: Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
ICD-10-GM Version 2024. F43.2 Anpassungsstörungen. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information.
Robert Koch-Institut (2023). Psychische Gesundheit in Deutschland: Aktuelle Daten und Trends.